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40. Jahrgang - InternetAusgabe 2006

Iran und die EU



Die Friedenspfeife auf dem Tisch

Wie können objektive Garantien
zur Urananreicherung in Iran festgelegt werden?

Von Kaveh L. Afrasiabi, 23.02.05 (*)

Bei den aktuellen, auf mehreren Ebenen stattfindenden Gesprächen zwischen Iran und den drei EU-Vertretern - Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich - kann das Schicksal des Friedens im Mittleren Osten am dünnen Faden hängen, auch ungeachtet der nur wenig verhüllten militärischen Drohung der zweiten Bush-Regierung, die Nuklearanlagen Irans anzugreifen, wenn "die Diplomatie fehlschlagen sollte".

Ein Militärschlag der Vereinigten Staaten oder noch schlimmer Israels muß zwangsläufig die unruhige Region am Persischen Golf in den Strudel einer gefährlichen Krise reißen. Wenn man mit Gewißheit eine heftige iranische Gegenreaktion annehmen muß, birgt eine solche Konfrontation nicht nur die Möglichkeit einer Ausweitung auf die weitere Region, sondern bedeutet womöglich die Auslösung eines eskalierenden Alptraums.

Da sich Israel, mit den Worten eines israelischen Generals, der "Tyrannei der Entfernung" von Iran ausgesetzt sieht, und Teheran Warnungen an seine Nachbarn herausgegeben hat, daß sie mit schwerer Vergeltung zu rechnen hätten, wenn irgendein Nachbar sich einfallen lassen sollte, das Überfliegen seines Luftraumes für Luftschläge gegen Iran zuzulassen, bleibt als wahrscheinlichstes Szenario eine US-amerikanischen Militäraktion, gestützt auf einen kombinierten Angriff mit Bombern und Marschflugkörpern, von Sabotageakten durch Spezialeinsatzkräfte nicht zu reden.

In jedem Fall würden dabei viele Zivilisten getötet, besonders in den Bevölkerunsgzentren, von denen einige der iranischen Kernkraftanlagen in Teheran, Isfahan und anderswo umgeben sind. Eine tiefe feindselige Rückwirkung unter den zumeist patriotischen Iranern wäre unausbleiblich, die zwar nicht unbedingt ihren regierenden Klerus mögen, gleichwohl aber auf die gerüchteumwobenen nuklearen Fähigkeiten des Iran große Stücke halten.

Muslimische Eiferer haben bereits Rekrutierungszentren im ganzen Land gebildet und mobilisieren tausende freiwillige Selbstmordattentäter für den Fall, daß ein Angriff auf den Iran erfolgt. Wenn dieser Fall einträte, hätten damit die ohnehin erlahmten Gemäßigten in der iranischen Politik ihre Rolle ausgespielt und würden einer härteren, homogenen herrschenden Gruppe Platz machen müssen. Das kann wohl kaum der erwünschte Ausgang im Hinblick auf die Zukunft der Demokratie in Iran sein.

Somit ist hinreichend klar, daß die Verhinderung eines Krieges die Anstrengung und Aufmerksamkeit aller, besonders der Europäer verlangt, die sich jetzt mit einer zweiten Regierungsperiode der Präsidentschaft George W. Bushs abfinden müssen, die ihrerseits wenig Zeit verschwendet und den Iran als mehr oder weniger nächsten Irak ins Visier genommen hat.

Aber Washington wäre fahrlässig, den wertvollen Kern des im November letzten Jahres unterzeichneten Pariser Abkommens zu verwerfen, in welchem Iran zugestimmt hat, sein Programm zur Urananreicherung auszusetzen, und im Gegenzug die Europäische Union Iran bei verschiedenen wirtschaftlichen, Handels-, Technologie- und sogar in Sicherheitsangelegenheiten Hilfe zugesagt hat.

Wie Berichte über die festgefahrenen Gespräche zwischen den beiden Seiten nahelegen, besteht durchaus die Möglichkeit, daß der Verhandlungsprozeß zusammenbricht und Iran die Arbeit am Brenstoffkreislauf wiederaufnimmt, wozu es nach dem Artikel IV des Nichtweitergabevertrages einen Rechtsanspruch hat. In der Tat fehlt es der europäischen Forderung nach Aufgabe des Brenstoffkreislaufs zugunsten einer Beschaffung von niedrig oder höher angereichertem Uran für seine Reaktoren auf dem (monopolisierten) Weltmarkt an einer ernsthaften rechtlichen Grundlage, weshalb auch das Abkommen klar davon spricht, daß die iranische Suspendierung "freiwillig" ist und keine "rechtliche Verpflichtung".

Ein anderer Teil dieses Abkommens verdient dagegen eine seriöse Befassung, besonders für die Bush-Administration, nämlich da wo "objektive Garantien" gefordert werden, die den friedlichen Charakter des Kernkraftbetriebs im Iran sicherstellen sollen. Von Seiten der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) ist den verhandelnden Seiten in den Iran/EU3-Gesprächen versichert worden, daß die Errichtung eines Überprüfungssystems möglich ist.

Als Stütze dieses Systems würde eine permanente Anwesenheit von Inspektoren der IAEA in Iran dienen, deren Aufgabe es wäre, die Vorgänge in den verschiedenen Nuklearanlagen engstens zu überwachen, wie zum Beispiel das Kraftwerk in Bushehr, das Anfang 2006 in Betrieb gehen soll. Die ausgedehnte Verwendung von manipulationssicheren Versiegelungen der iranischen Zentrifugen und Überwachungskameras stellen weitere wirksame Mittel zur Erfüllung "objektiver Garantien" dar, womit Iran sowohl sein Urananreicherungsprogramm wiederaufnehmen und zugleich die Befürchtungen und Besorgnisse der Außenwelt ausräumen könnte.

Von iranischer Seite betrachtet ist es wirtschaftlich sinnvoll, Kernbrennstoff an Ort und Stelle herzustellen statt von einer teureren Versorgung von außen abhängig zu werden. Nach Schätzungen würde der Import von ungefähr 27 Tonnen Nuklearbrennstoff aus Russland für den Reaktorzyklus eines Jahres mehr als doppelt so viel wie aus heimischer Produktion kosten, also etwa 50 Millionen US$ statt bei eigener Produktion 25 Mio US$. Auch vom Gesichtspunkt der Umweltsicherheit ist es nicht besonders ratsam, das Brennmaterial über lange Strecken heran- und das abgebrannte Material über dieselbe Strecke wieder zurück zu transportieren, wenn das Nuklearmaterial weit sicherer in Irans weitausgedehnten Wüsten gelagert werden könnte. Was den Umgang mit verbrauchtem Brennstoff angeht, so haben Russland und Iran ihre letzten Differenzen ausgeräumt und mit der Unterzeichnung eines Abkommens ist nach den jüngsten Äußerungen Präsident Putins über den friedlichen Charakter der iranischen Nuklearindustrie zu rechnen.

Bedauerlicherweise stehen in den USA oder in Europa weder die wirtschaftlichen Randbedingungen, die Umweltgesichtspunkte und noch weniger die Sicherheitsdimension und die Argumente für eine Eigenproduktion im Iran obenan in der Diskussion des iranischen Kernkraftprogramms. Mehr und mehr scheint Europa mit der amerikanischen Marschrichtung nach einer permanenten Aufgabe des Brennstoffkreislaufes in Iran Tritt zu fassen. Dabei werden die Überlegungen zu einem wirksamen System der Überwachung unter der Überschrift "objektive Garantien" wie auch andere iranische Erwägungen übergangen.

Mit Sicherheit könnten die Vereinigten Staaten einen aktiven Beitrag zu den laufenden Gesprächen zwischen Iran und der EU leisten, ungeachtet der Aufforderung des iranischen Außenministers an die USA, sich an diesem Dialog zu beteiligen. Aus zu bedauernden Gründen, die nur das Weiße Haus kennt, ist Irans Aufforderung bislang aber ungehört geblieben, wohingegen die USA entschlossen zu sein scheinen, immer wieder den Stock herausziehen, um den Iran unter Androhung von Sanktionen vor dem Weltsicherheitsrat daran zu hindern, den Dialog abzubrechen und die Suspendierung der Urananreicherung zu beenden.

Statt mit solchen Bremsmaßnahmen und Druckmitteln auf den Iran indirekt einzuwirken, sollten die USA erwägen, ihre Vorbehalte beiseite zu schieben und sich Europa in offenen und direkten Gesprächen mit Iran anschließen, und dies nicht nur in Nuklearangelegenheiten, sondern auch über Fragen der Sicherheit, des Terrorismus und anderen Angelegenheiten, die im Pariser Abkommen erwähnt sind. Bei einem Verzicht auf diese Teilnahme können sich die Vereinigten Staaten für die Zukunft nicht darauf verlassen, daß ein vorgebliches "Scheitern der Diplomatie" wie im Falle des Irak ausreicht, den Griff zur rohen Gewalt zu rechtfertigen, mit dem dann die heikle Frage der Massenvernichtungswaffen erledigt wird.

Es gibt nämlich keinerlei empirische Evidenzbeweise für die Unterstellung der USA, wie sie Präsident Bush in seiner State of the Union Message vorgebracht hat, daß Iran aktiv die Herstellung von Massenvernichtungswaffen betreibe, wenn man die rückhaltlose Befolgung des einschneidenden Zusatzprokolls der IAEA und den ungehinderten Zugang der IAEA zu zivilen und militärischen Anlagen berücksichtigt.

Tatsächlich hat zu einer öffentlichen Diskussion über Kernwaffen überhaupt im Iran ausschlaggebend die Frage beigetragen, welche Rolle und Bedeutung solche Waffen für die Abschreckung möglicher künftiger Aggression der USA gegen den Iran haben könnten. Je häufiger die Drohung eines Präemptivschlages der USA oder Israels ins Spiel gebracht worden ist, desto stärker und nachhallender ertönte der Ruf nach einem Nuklearschild, wie es Pakistan gegenüber dem größeren und mächtigeren Indien besitzt.

Daher hat das US-amerikanische Säbelrasseln gegen Iran in der Tat den gegenteiligen Effekt, daß es die Bestrebungen nach einer nuklearen Abschreckung gegen den "Leviathan" USA verstärkt, der nach seinen Siegen über Russland und vor kurzem über das Baath-Regime Saddam Husseins zügellos um sich greift.

Im Ergebnis wäre eine kluge Politik der USA und Europas, die Befürchtungen des Iran um seine nationale Sicherheit zu beschwichtigen und solche Maßnahmen für die Region um den Persischen Golf vorzuschlagen, die einer regionalen Zusammenarbeit und der gemeinsamen Sache gegen die Geißel des Krieges und des Terrorismus förderlich sind. Sowohl die NATO als auch mehr noch die OSZE haben hier eine Rolle zu spielen, und Iran wäre weise beraten, eine Zusammenarbeit mit beiden Organisationen in Erwägung zu ziehen.

Aber vor allem ist es im Interesse der Zukunft des Mittleren Ostens dringend geboten, daß beide Seiten in den Kernenergiegesprächen sich auf die "objektiven Garantien" konzentrieren und über die Art der dafür notwendigen Überwachungs- und Überprüfungsmechanimsmen einen Konsens erzielen. Die USA scheinen derzeit nicht geneigt, auf diesem Weg mitzugehen, der, würde er erfolgreich abgeschritten, ein bedeutendes neues Kapitel in der transkontinentalen Diplomatie Europas einleiten würde und überdies für Washington vielleicht eine kostbare Lektion in Alternativen zur Krisenlösung böte.



(*) Kaveh L. Afrasiabi, Dr. phil, ist Autor von "Nach Chomeini: Neue Richtungen in der Außenpolitik Irans" (Westview Press) und "Irans Außenpolitik seit dem 11.9.", Brown`s Journal of World Affairs, zusammen mit dem früheren stellvertrenden Außenminister Abbas Maleki, No. 2, 2003. Er lehrt politische Wissenschaft an der Universität Teheran.

© 2005 Asia Times Online; mit freundlicher Genehmigung für die deutsche Übersetzung.

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Leserbrief

 

Kontext

Agreement between the EU-3 and Iran

The EU-3 U-Turn towards Iran since November - Nuclear Weapons Physicist Gordon Prather explains:

How Condi scuttled EU-Iran Agreement

More empty threats against Iran

In Focus:
IAEA and Iran

IAEA Resolution adopted on Nov. 29, 2004

Iran`s Nuclear Facilities
Bushehr Arak and Isfahan
Photo collections compiled by the CIA's Foreign Broadcast Information Service
(Thanks to Steven Aftergood`s Secrecy News)